Der Online-Handel war bloß eine Illusion [de]

Überall lesen und hören wir, dass der Online-Handel überproportional wachse und nicht aufzuhalten sei. Er ruiniere mittlerweile den stationären Handel und damit auch die einzelhandelslastigen Innenstädte.
Dabei ist diese Kategorisierung aus Expertensicht ein längst überholter Ansatz, die Zukunft sieht wohl ganz anders aus.

Ronald Derler
2 min readDec 4, 2017

Seit Jahrtausenden gibt es die klassischen Händler, die Waren vorrätig halten und gegen Bezahlung an die Kunden abgeben. Daneben gibt es seit etwa 150 Jahren den Versandhandel. Die beiden haben auch bis vor etwa 20 Jahren friedlich nebeneinander existiert, doch dann erreichte das Internet die Massen und ermöglichte den Händlern die vernetzte Digitalisierung der Geschäftsprozesse.

Der Versandhandel, als jüngere und innovativere Variante, hat den Trend frühzeitig erkannt, Angebot und Preise in Echtzeit anzupassen und den Absatz zu skalieren. Warenpräsentation, Werbung und Geschäftsabwicklung finden seither fast gänzlich online statt. Deswegen wird der Versandhandel landläufig nunmehr auch als Online-Handel bezeichnet.
Der klassische Händler vor Ort hingegen galt bislang als Statthalter der Traditionen, bot uns das vielbeschworene “Shopping”-Erlebnis und eine direkte Warenverfügbarkeit. Digitalisierung und Einbeziehung des Internets galten hier lange als Tabubruch, deswegen wurde auch gerne vom Offline-Handel gesprochen. Eines ist mittlerweile aber allen klar, wer heute geschäftlich “offline” ist, ist tot.

Wenn nun stationäre Händler in den letzten Jahren von kundenseitiger Digitalisierung gesprochen haben, meinten fast alle an den Aufbau eines eigenen “Online-Shops”, also die Einführung eines für sie vollständig neuen Geschäftsmodells (Versandhandel), in der Hoffnung, damit ein Stück des großen Kuchens zu retten. Damit das Ganze werbewirksam klang, nannte man es Multi-Channel Strategie, später kam Omni-Channel, an der Problematik aber änderte es nichts.
Aus betriebswirtschaftlicher Sinn ist es natürlich völlig sinnfrei, mal eben seine Geschäftsprozesse über Nacht umzukrempeln und viel schlimmer noch wurden dabei alle anderen Möglichkeiten der Digitalisierung völlig außer Acht gelassen. Kein Wunder, dass diese Sichtweise die Probleme nicht gelöst , sondern noch mehr befeuert hat.

Die Digitalisierung schreitet jedoch voran, die Logistik wird schneller und flexibler, urbane Mobilität und Einkaufsverhalten befinden sich im Umbruch, die Grenzen zerfließen und es bricht ein neues Zeitalter an.

Der gesamte Handel geht online, aber nicht im Sinne eines “Online-Handels”, sondern als integrierter Prozess.

Werbung & Beratung, Preise & Bezahlung, sowie Lager & Logistik werden mittels digitaler Lösungen zu kundenindividuellen Echtzeit-Anwendungen. Demnächst lassen wir uns mittels Location-Based-Services durch Showrooms führen, informieren uns mit dem Smartphone vor Ort über die Produkte, ermitteln darüber auch unseren Preis und bezahlen damit, wir lassen uns die Rechnung in die Cloud streamen, während unser selbstfahrendes Auto, die gekauften Waren am Drive-In Lager abholt, oder das Paket zur gewünschten Zeit an die angegebene Adresse geliefert wird.*

Es ist Zeit aufzuwachen: Der Onlinehandel war bloß eine Illusion!

* Ich bin mir nur noch nicht wirklich sicher, ob die Zustellung durch Drohnen auch praktikabel ist…🤔

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